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Eine Kindheit in den 50er-Jahren
Das Kind wird in den 50ern geboren: Die Schrecken des Krieges verblassen, das Wirtschaftswunder blüht. Paradiesische Jahre, um groß zu werden. Doch es ist nicht nur die Zeit von Sonntagsgroschen, Fleißkärtchen und Häschenschule, sondern auch von Prüderie und Heuchelei. Der Schein der Wirtschaftswundergesellschaft wird mit allen Mitteln bewahrt. Und so stößt das Kind immer wieder auf Verbote und Tabus. Es gerät mit Nonnen aneinander und muss demütigende Erziehungsmaßnahmen über sich ergehen lassen.Eine Kindheit, die nicht nur nach Karamellbonbons und Salmiakpastillen schmeckt.
Auch als E-Book erhältlich.
Taschenbuch
– ISBN 978-3-942672-63-4
– 178 Seiten
– Format: 12 × 19 cm
E-Book
ISBN 978-3-942672-64-1
ISBN 978-3-942672-64-1
Cornelia Ertmer, geboren 1953 in Recklinghausen, lebt und schreibt, zumindest zeitweise, in ihrer Wahlheimat Dortmund.
Den Wunsch zu schreiben hatte sie schon früh. Doch ließen ihr die Familie mit drei Kindern und der Beruf als Lehrerin für Deutsch, praktische Philosophie und Darstellen und Gestalten an einer Gesamtschule in OWL wenig Freiraum.
Seit sie im Ruhestand ist, findet sie die Muße, ihre Kreativität im Schreiben zu realisieren.
Die Geschichtensammlung „Der Geschmack von Lebertran“ ist ihre erste literarische Veröffentlichung als Autorin. Ein Roman ist in Arbeit.
Weitere Informationen über Cornelia Ertmer finden Sie auf der OCM-Verlagshomepage.
Leseprobe Der Geschmack von Lebertran
PDF Leseprobe Der Geschmack von Lebertran
Im Rahmen des 275-jährigen Schuljubiläums des Gymnasium Nepomucenum Rietberg las Autorin Cornelia Ertmer als ehemalige Lehrerin aus ihrem Band „Der Geschmack von Lebertran".
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„Cornelia Ertmer blickt im Buch zurück“
So beginnt der Artikel in „Die Glocke“ über das Buch „Der Geschmack von Lebertran“
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Im Rahmen des 275-jährigen Schuljubiläums des Gymnasium Nepomucenum Rietberg las Autorin Cornelia Ertmer als ehemalige Lehrerin aus ihrem Band „Der Geschmack von Lebertran".
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„Cornelia Ertmer blickt im Buch zurück“
So beginnt der Artikel in „Die Glocke“ über das Buch „Der Geschmack von Lebertran“
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- „DER LIEBE GOTT SIEHT ALLES!“ Reflexionen über ein Buch, das die eigene Kindheit aus der Tiefe des Vergessens holt! Von Doris Meißner-Johannknecht Schon das Cover (Schönschrift auf Schiefertafel) katapultiert mich (geb. 1947) sofort in meine eigene Kindheit. Die „Litaneien“, mit denen die Autorin ihren Ausflug in die Kindheit der 50er Jahre beginnt, schlagen zu, holen mich herein in eine Zeit, die bei mir fast genauso war, wie Cornelia Ertmer es beschreibt. Ihr Stil? Kurz und knapp. Auf dem Punkt gebracht. Ohne überflüssige Erklärungen, Beschreibungen. Peng! Jedes Wort sitzt! Und je weiter ich lese, zieht es mich hinein, in meine ganz eigene Kinderwelt. Alle Sinne werden aktiviert. Ich schmecke, rieche, höre, sehe, fühle all das, was war! Die Bilder sind schnörkellos. Treffsicher! Ja, so war es! Seit ich freiberufliche Autorin bin, seit mehr als 30 Jahren also, wollte ich genau so ein Buch schreiben! Mein inneres Kind rief danach…lange schon und immer wieder, weil die Prägung dieser Zeit bis heute nachwirkt und tiefe Spuren hinterlassen hat. Und jetzt ist es ein anderes Kind (geb. 1953), das meinen Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Begebenheiten, Träumen, Ängsten und Erlebnissen eine Stimme gibt. Und dieses Kind sagt es genauso, wie mein inneres Kind es erinnert hätte! Und das, obwohl es sieben Jahre jünger ist! Die 50er Jahre sind also hartnäckig, wie in Stein gemeißelt. Jede Beobachtung (die wollene Strumpfhose juckt), jeder Geschmack auf der Zunge (Frigeo Brause), jede Nuance der Stimmen der Erwachsenen (sei still, widersprich nicht, lass das) wie aus dem Gedächtnis katapultiert! Großartig! Begebenheiten, die ich verdrängt hatte, sind sofort wieder da! Zum Beispiel die Strafen! Die gab es auch bei mir. Allerdings nicht zuhause, sondern im Internat. „Das Kind steht an der Wand. Finger auf die Lippen! Strafe! Warum?“ Bei mir kam hinzu, es war ein kalter Flur. Barfuß im Nachthemd. Stundenlang. Die Strafe wofür? Ich wusste es nie! Es gab Rituale. Wünscht man sich eine Schwester, einen Bruder, dann wird Zucker auf die Fensterbank gestreut. Für den Klapperstorch. Der das Gewünschte dann bringt. Ich habe kiloweise Zucker gestreut. Aber ich blieb Einzelkind! Die Lieder von damals sind sofort wieder im Ohr. Wie eingebrannt. „Winter ade!“ „Der Kuckuck und der Esel!“ Noch heute. Jede Note. Jedes Wort. Schön. Das kleine Abenteuer: Blumenkästen hochheben, Ohrenkneifer und Kellerasseln entdecken. Etwas gruselig! Das große Abenteuer: Herumstöbern und Spiele in den Hinterhöfen! Aus der Sicht der Erwachsenen: gefährlich und eigentlich verboten! Aber: das große Glück! In den Haushalten gabs damals noch Strickmaschinen. Für Gäste Eierlikör. Blutwurst war zum Würgen. Ekelhafte Speisen wurden heimlich entsorgt. Bei Cornelia Ertmer landeten sie in der Eckbank. Bei mir in der Blumenerde der Gummibäume im Speisesaal (im Internat). Schlechtes Gewissen. Immer. Strenge Tischsitten. Leer gegessene Teller sind Gebot. Nicht aufessen heißt, Gottes Gabe verschwenden. Das ist Sünde. Bei guten Taten kommt man in den Himmel. Und nur Menschen, die getauft sind, haben dort Zutritt. Mit einer Spende von 20 DM konnte man ein Heidenkind in Afrika taufen lassen. Ja, auch ich habe darauf gespart. Woher nahm ich das Geld? Durchsucht wurden die Anzugtaschen des Vaters. Andere Quellen gab es nicht. Nein, kein Taschengeld! Was dürfen Mädchen? „Ein Mädchen klettert nicht auf Bäume und Mauern. Ein Mädchen tut so etwas nicht!“ Ja, das war bekannt. Zum Glück war es bei mir anders. Mich hat man gelassen. Und diese Freiheit hat mich gerettet! Das Wilde, das Ungestüme- das, was Jungen durften- ich durfte es auch. Und es hat mich geprägt. Da konnten auch die fünf Jahre Internat mit ihren Verboten nicht mehr viel kaputt machen. Und dann die Schule! Die Mühe des Schreibens! Das Kratzen auf der Schiefertafel! Die Hand schmerzt höllisch. Dann der Füller! Auch nicht besser. Gekleckse, Getropfe! Trotz Anstrengung immer eine Fünf in Schönschreiben! Lebertran gabs bei mir nicht. Aber anderswo immer. Ich war wohl eine Ausnahme. Meine Eltern waren eher liberal. Oder einfach nur zu beschäftigt. Manager von Fabriken, ja auch meine Mutter. Das Kindermädchen kümmerte sich wenig. Ich war wohl zu anstrengend. Zu meinem Glück! Aber die Postulate der katholischen Kirche! Die wirkten auch bei mir. Bis heute! Das Beste, woran sich auch Cornelia Ertmer erinnert, war das Kranksein. Da wird man umsorgt und verwöhnt. Da fällt die tägliche Anstrengung des Bravseins weg. Das war auch immer mein Traum. Aber ich war leider nie krank. Im Internat hätte das Krankenzimmer das Paradies bedeutet. Aber das blieb für mich verschlossen. Ich galt als fit und gesund. Auch bei noch so quälenden Halsschmerzen. Dass Eltern alleine ohne ihre Kinder tolle Reisen machen? Das gab es auch bei mir. Und hat die Sehnsucht nach der großen Welt geweckt. Bis heute! Was war wirklich schön? Kastanien sammeln wie im Rausch. In die Welt der Bücher versinken! Und dann der Geschmack auf der Zunge! Gemischte Tüte von der Bude. Salmiakpastillen. Einen Stern auf den Handrücken kleben! Ablecken! Göttlich! Lakritzschnecken! Esspapier! Wundertüten mit Puffreis! Frigeo Brause. Mit angefeuchtetem Zeigefinger Krümel für Krümel aus der Tüte angeln und vom Finger lutschen! Prickelnd, sauersüß fruchtig! Einfach wunderbar! Und dann die Rolle ROLO! (Gibt’s noch heute, gestern ausprobiert, schmeckt noch wie damals! Richtig gut und nach mehr!). Schokolade außen, Karamell innen! Herrlich! Ein Traum für die Zunge! In der Fastenzeit war Süßes tabu. Da landete jedes Bonbon in einem Glas. Zu Ostern durfte es geplündert werden! Ekelhaft dagegen die“ glitschige pockige Haut in dem Hühnerfrikassee“! Ich erinnere es gut! Mir drehte sich jedes Mal der Magen. Und die Sonntage? Der Gang in die Kirche in Sonntagskleidern! Spaziergänge! Anstrengend, langweilig. Bei mir kam noch das Essen im Restaurant dazu. Gruselig. Einziger Trost der Kinderfunk um 14.00 Uhr. Mein Tor zur Welt! Aber da saßen wir meistens noch im Restaurant. Bis heute esse ich lieber zuhause! Und der Sommer? Bei Cornelia Ertmer „Maßlos, endlos. Versteckenspielen. Gummitwist, Seilchenspringen, Hüpfekästchen. Zelte aus Decken bauen!“ Ja, auch bei mir waren die Sommer in der Erinnerung wunderschön. Und genauso! In meiner Erinnerung hat immer die Sonne geschienen! Was bleibt noch? Es war eine harte Zeit. Aber sie hat uns auch positiv geprägt. Durchhalten! Stark sein! An eigene Träume glauben! Wünsche realisieren! Irgendwie, irgendwann. Verantwortung übernehmen. Das Gute im Blick behalten! Das Postulat der katholischen Kirche, das auch mich durch Kindergarten und Schulen (nebst Nonenkloster) begleitet hat „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ muss einen neuen Schwerpunkt finden. Bei mir war nur die Liebe zum Nächsten im Focus (im Prinzip ja gut), aber das „wie dich selbst“ fehlte komplett. Muss nun mühsam nachgeholt werden. Was positiv bleibt, sind die Erinnerungen an die großen und kleinen Abenteuer, in die auch ich mich stürzte trotz massiver Verbote (wahrscheinlich auch gerade deswegen). Über Mauern klettern. In fremde Gärten eindringen. Sie plündern! Das war ja nach den Geboten der katholischen Kirche nur Mundraub, also keine Sünde. Hinterhöfe durchforsten. Trümmergrundstücke erobern. In der verlassenen Ziegelei nach Schätzen suchen. Bahngleise überqueren, wenn der Zug schon anrollte. Regenwürmer essen. Heimlich rauchen. Alles Mutproben! Ein tolles Gefühl, wenn es funktionierte! Und der Geschmack auf der Zunge! Von dem wenigen, was es damals gab. Vor allem ROLO! Frigeo Brause. Und Salmiakpastillen! Immer noch rekonstruierbar und beglückend! Da braucht es kein Steak in Dubai mit Goldkruste für 20000 Dollar! Warum braucht Frank Ribery sowas? Was bleibt in Erinnerung bei den Kindern von heute? Der Geschmack von Pasta, Pizza, Pommes und Chips. Mit Sicherheit. Erinnerung an Spiele im Freien? Oder nur das Hocken vor dem PC? Keine echten Spiele, bei denen man sich die Knie aufreißt? Unterwegs vor allem in der digitalen Welt? E- gaming, zocken, streamen? E-sport statt echtem Sport? Kommunikation per Whatsapp? Das Buch von Cornelia Ertmer ist ein Kaleidoskop der 5oer Jahre Kindheit. Voller Details, die unter die Haut gehen. Jedes Wort, jeder Satz ist Auslöser für Erinnerungen. Und ein Zeitdokument, mit der Analyse der Psychogramme, die die 50 er Jahre geprägt haben. Ein Pool von Erfahrungen für „Betroffene“. Für andere Generationen ein „Lesebuch“ mit spannenden (weil befremdlichen?) Einblicken in eine ganz eigene Welt! „Es war nicht alles schlecht!“ „Ein Klaps auf den Po hat noch niemandem geschadet!“ Schon das Cover (Schönschrift auf Schiefertafel) katapultiert mich (geb. 1947) sofort in meine eigene Kindheit. Die „Litaneien“, mit denen die Autorin ihren Ausflug in die Kindheit der 50er Jahre beginnt, schlagen zu, holen mich herein in eine Zeit, die bei mir fast genauso war, wie Cornelia Ertmer es beschreibt. Ihr Stil? Kurz und knapp. Auf dem Punkt gebracht. Ohne überflüssige Erklärungen, Beschreibungen. Peng! Jedes Wort sitzt! Und je weiter ich lese, zieht es mich hinein, in meine ganz eigene Kinderwelt. Alle Sinne werden aktiviert. Ich schmecke, rieche, höre, sehe, fühle all das, was war! Die Bilder sind schnörkellos. Treffsicher! Ja, so war es! Seit ich freiberufliche Autorin bin, seit mehr als 30 Jahren also, wollte ich genau so ein Buch schreiben! Mein inneres Kind rief danach…lange schon und immer wieder, weil die Prägung dieser Zeit bis heute nachwirkt und tiefe Spuren hinterlassen hat. Und jetzt ist es ein anderes Kind (geb. 1953), das meinen Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Begebenheiten, Träumen, Ängsten und Erlebnissen eine Stimme gibt. Und dieses Kind sagt es genauso, wie mein inneres Kind es erinnert hätte! Und das, obwohl es sieben Jahre jünger ist! Die 50er Jahre sind also hartnäckig, wie in Stein gemeißelt. Jede Beobachtung (die wollene Strumpfhose juckt), jeder Geschmack auf der Zunge (Frigeo Brause), jede Nuance der Stimmen der Erwachsenen (sei still, widersprich nicht, lass das) wie aus dem Gedächtnis katapultiert! Großartig! Begebenheiten, die ich verdrängt hatte, sind sofort wieder da! Zum Beispiel die Strafen! Die gab es auch bei mir. Allerdings nicht zuhause, sondern im Internat. „Das Kind steht an der Wand. Finger auf die Lippen! Strafe! Warum?“ Bei mir kam hinzu, es war ein kalter Flur. Barfuß im Nachthemd. Stundenlang. Die Strafe wofür? Ich wusste es nie! Es gab Rituale. Wünscht man sich eine Schwester, einen Bruder, dann wird Zucker auf die Fensterbank gestreut. Für den Klapperstorch. Der das Gewünschte dann bringt. Ich habe kiloweise Zucker gestreut. Aber ich blieb Einzelkind! Die Lieder von damals sind sofort wieder im Ohr. Wie eingebrannt. „Winter ade!“ „Der Kuckuck und der Esel!“ Noch heute. Jede Note. Jedes Wort. Schön. Das kleine Abenteuer: Blumenkästen hochheben, Ohrenkneifer und Kellerasseln entdecken. Etwas gruselig! Das große Abenteuer: Herumstöbern und Spiele in den Hinterhöfen! Aus der Sicht der Erwachsenen: gefährlich und eigentlich verboten! Aber: das große Glück! In den Haushalten gabs damals noch Strickmaschinen. Für Gäste Eierlikör. Blutwurst war zum Würgen. Ekelhafte Speisen wurden heimlich entsorgt. Bei Cornelia Ertmer landeten sie in der Eckbank. Bei mir in der Blumenerde der Gummibäume im Speisesaal (im Internat). Schlechtes Gewissen. Immer. Strenge Tischsitten. Leer gegessene Teller sind Gebot. Nicht aufessen heißt, Gottes Gabe verschwenden. Das ist Sünde. Bei guten Taten kommt man in den Himmel. Und nur Menschen, die getauft sind, haben dort Zutritt. Mit einer Spende von 20 DM konnte man ein Heidenkind in Afrika taufen lassen. Ja, auch ich habe darauf gespart. Woher nahm ich das Geld? Durchsucht wurden die Anzugtaschen des Vaters. Andere Quellen gab es nicht. Nein, kein Taschengeld! Was dürfen Mädchen? „Ein Mädchen klettert nicht auf Bäume und Mauern. Ein Mädchen tut so etwas nicht!“ Ja, das war bekannt. Zum Glück war es bei mir anders. Mich hat man gelassen. Und diese Freiheit hat mich gerettet! Das Wilde, das Ungestüme- das, was Jungen durften- ich durfte es auch. Und es hat mich geprägt. Da konnten auch die fünf Jahre Internat mit ihren Verboten nicht mehr viel kaputt machen. Und dann die Schule! Die Mühe des Schreibens! Das Kratzen auf der Schiefertafel! Die Hand schmerzt höllisch. Dann der Füller! Auch nicht besser. Gekleckse, Getropfe! Trotz Anstrengung immer eine Fünf in Schönschreiben! Lebertran gabs bei mir nicht. Aber anderswo immer. Ich war wohl eine Ausnahme. Meine Eltern waren eher liberal. Oder einfach nur zu beschäftigt. Manager von Fabriken, ja auch meine Mutter. Das Kindermädchen kümmerte sich wenig. Ich war wohl zu anstrengend. Zu meinem Glück! Aber die Postulate der katholischen Kirche! Die wirkten auch bei mir. Bis heute! Das Beste, woran sich auch Cornelia Ertmer erinnert, war das Kranksein. Da wird man umsorgt und verwöhnt. Da fällt die tägliche Anstrengung des Bravseins weg. Das war auch immer mein Traum. Aber ich war leider nie krank. Im Internat hätte das Krankenzimmer das Paradies bedeutet. Aber das blieb für mich verschlossen. Ich galt als fit und gesund. Auch bei noch so quälenden Halsschmerzen. Dass Eltern alleine ohne ihre Kinder tolle Reisen machen? Das gab es auch bei mir. Und hat die Sehnsucht nach der großen Welt geweckt. Bis heute! Was war wirklich schön? Kastanien sammeln wie im Rausch. In die Welt der Bücher versinken! Und dann der Geschmack auf der Zunge! Gemischte Tüte von der Bude. Salmiakpastillen. Einen Stern auf den Handrücken kleben! Ablecken! Göttlich! Lakritzschnecken! Esspapier! Wundertüten mit Puffreis! Frigeo Brause. Mit angefeuchtetem Zeigefinger Krümel für Krümel aus der Tüte angeln und vom Finger lutschen! Prickelnd, sauersüß fruchtig! Einfach wunderbar! Und dann die Rolle ROLO! (Gibt’s noch heute, gestern ausprobiert, schmeckt noch wie damals! Richtig gut und nach mehr!). Schokolade außen, Karamell innen! Herrlich! Ein Traum für die Zunge! In der Fastenzeit war Süßes tabu. Da landete jedes Bonbon in einem Glas. Zu Ostern durfte es geplündert werden! Ekelhaft dagegen die“ glitschige pockige Haut in dem Hühnerfrikassee“! Ich erinnere es gut! Mir drehte sich jedes Mal der Magen. Und die Sonntage? Der Gang in die Kirche in Sonntagskleidern! Spaziergänge! Anstrengend, langweilig. Bei mir kam noch das Essen im Restaurant dazu. Gruselig. Einziger Trost der Kinderfunk um 14.00 Uhr. Mein Tor zur Welt! Aber da saßen wir meistens noch im Restaurant. Bis heute esse ich lieber zuhause! Und der Sommer? Bei Cornelia Ertmer „Maßlos, endlos. Versteckenspielen. Gummitwist, Seilchenspringen, Hüpfekästchen. Zelte aus Decken bauen!“ Ja, auch bei mir waren die Sommer in der Erinnerung wunderschön. Und genauso! In meiner Erinnerung hat immer die Sonne geschienen! Was bleibt noch? Es war eine harte Zeit. Aber sie hat uns auch positiv geprägt. Durchhalten! Stark sein! An eigene Träume glauben! Wünsche realisieren! Irgendwie, irgendwann. Verantwortung übernehmen. Das Gute im Blick behalten! Das Postulat der katholischen Kirche, das auch mich durch Kindergarten und Schulen (nebst Nonenkloster) begleitet hat „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ muss einen neuen Schwerpunkt finden. Bei mir war nur die Liebe zum Nächsten im Focus (im Prinzip ja gut), aber das „wie dich selbst“ fehlte komplett. Muss nun mühsam nachgeholt werden. Was positiv bleibt, sind die Erinnerungen an die großen und kleinen Abenteuer, in die auch ich mich stürzte trotz massiver Verbote (wahrscheinlich auch gerade deswegen). Über Mauern klettern. In fremde Gärten eindringen. Sie plündern! Das war ja nach den Geboten der katholischen Kirche nur Mundraub, also keine Sünde. Hinterhöfe durchforsten. Trümmergrundstücke erobern. In der verlassenen Ziegelei nach Schätzen suchen. Bahngleise überqueren, wenn der Zug schon anrollte. Regenwürmer essen. Heimlich rauchen. Alles Mutproben! Ein tolles Gefühl, wenn es funktionierte! Und der Geschmack auf der Zunge! Von dem wenigen, was es damals gab. Vor allem ROLO! Frigeo Brause. Und Salmiakpastillen! Immer noch rekonstruierbar und beglückend! Da braucht es kein Steak in Dubai mit Goldkruste für 20000 Dollar! Warum braucht Frank Ribery sowas? Was bleibt in Erinnerung bei den Kindern von heute? Der Geschmack von Pasta, Pizza, Pommes und Chips. Mit Sicherheit. Erinnerung an Spiele im Freien? Oder nur das Hocken vor dem PC? Keine echten Spiele, bei denen man sich die Knie aufreißt? Unterwegs vor allem in der digitalen Welt? E- gaming, zocken, streamen? E-sport statt echtem Sport? Kommunikation per Whatsapp? Das Buch von Cornelia Ertmer ist ein Kaleidoskop der 5oer Jahre Kindheit. Voller Details, die unter die Haut gehen. Jedes Wort, jeder Satz ist Auslöser für Erinnerungen. Und ein Zeitdokument, mit der Analyse der Psychogramme, die die 50 er Jahre geprägt haben. Ein Pool von Erfahrungen für „Betroffene“. Für andere Generationen ein „Lesebuch“ mit spannenden (weil befremdlichen?) Einblicken in eine ganz eigene Welt! „Es war nicht alles schlecht!“ „Ein Klaps auf den Po hat noch niemandem geschadet!“
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